Tobias Zapfel, Chicago

„Die Atelierportraits hatten nie die Funktion einer angemessenen Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern – wie es Ludwig Schrank 1866 formulierte – die der Fixierung eines »idealisirten Modells mit lichtempfindlichen Substanzen«”. [...]
„Es war kein gewöhnlicher Tag, an dem man zum Fotografen ging, um ein Portrait anfertigen zu lassen. Was immer auch den Anlaß gab – eine Taufe, ein Jubiläum oder die Absicht, jemandem ein Bild zu schenken –, es wurde festliche Kleidung angelegt. [...] So war alles bedacht, um ein Bild zu erhalten, das an den besonderen Tag erinnern sollte, obwohl dieses an einem Ort und in einer Umgebung angefertigt wurde, die mit den Beweggründen, sich ablichten zu lassen, in keinerlei Verbindung stand. Auch die Art und Weise, wie man sich in Positur stellte, unterschieden sich von dem Verhalten, das man ansonsten an den Tag legte. Das Ereignis, das der Abzug wiedergab, war also ein fotografisches.”

Aus: Timm Starl: Im Prisma des Fortschritts: Zur Fotografie des 19. Jahrhunderts.
Jonas Verlag, Marburg, 1991.